Persönlichkeitsdefizite erkennen

Veröffentlichter Leserbrief in der Süddeutschen Zeitung vom 19. Februar 2014 zum Artikel „DER FALL EDATHY. Nicht vergessen: Die Kinder sind die Opfer“

Heribert Prantl hat wie immer recht, wenn er die staatliche Macht in ihre Grenzen weist, indem er detailliert erläutert, warum bestimmte Moralvorstellungen nicht mit dem Strafrecht durchgesetzt werden können, auch wenn dies gerne bei bestimmten Straftaten gefordert wird. Dass Moral und Strafrecht von den meisten Bürgern nicht auseinandergehalten werden können, zeigt den Analphabetismus-Level auch einer bürgerlichen Leserschaft bezüglich ihres Rechtsstaats. Trotzdem ist zum Fall Edathy Folgendes anzumerken:

Schon rein logischerweise kann davon ausgegangen werden, dass Sebastian Edathy von niemandem, auch nicht von seinen Genossen, über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft informiert wurde. Er ist intelligent genug, um eins und eins zusammenzuzählen. Mitte November 2013 erfährt er über die Medien, das in Toronto ein Kinderporno-Ring ausgehoben wurde. Weil er weiß, dass er selbst mehrere Jahre lang von einer derartigen Firma etwas gekauft hatte, liegt es nahe, dass auch er nun im Visier der Strafermittler ist. Er ist auch intelligent genug, um zu wissen, dass er nach Bekanntwerden seiner pädophilen Vorlieben politisch erledigt ist, auch wenn das Material, das er in Kanada gekauft hatte, keinen Straftatbestand erfüllt. Erstaunlich nur, dass er das nicht erkannte, bevor er diese Fotos kaufte. Bei derartigen Bedürfnissen setzt die Vernunftwohl komplett aus.

Deshalb, und nur deshalb müsste anhand dieses Falles endlich eine Diskussion in Gang kommen, die schon bei dem Fall Ronald Schill und vor allem bei Dominique Strauss-Kahn hätte beginnen müssen: Wie kann man bei einer Person vor der Berufung/Wahl in höhere Ämter nicht nur die intellektuelle Adäquanz prüfen, sondern auch gravierende Persönlichkeitsdefizite erkennen, welche die Übernahme einer derartigen Aufgabe verbieten? Da wird es heikel, denn am schwierigsten wird es sein, Methoden und Kriterien zu entwickeln, die auch für die Überprüften akzeptabel sind. Angesichts der Tatsache, dass die deutsche Justiz in Richterämtern zahlreiche Schills beherbergt, die im Laufe ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit erheblichen Schaden anrichten, und die Vorstellung, dass ein Sex-Maniac wie Dominique
Strauss-Kahn, tatsächlich IWF-Chef (!) war und fast französischer Präsident geworden wäre, erscheint es unumgänglich, diese diffizile Aufgabe in Angriff zu nehmen. Zumindest diskursiv.

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